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09.03.2023
Spannender Vortrag zur Rolle der Inoffiziellen Mitarbeiter
Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in einem Raum ohne Fenster. 24 Stunden lang ist dieser Raum nur mit einem Neonlicht beleuchtet. Man darf jeden Tag nur eine Stunde hinaus und seine Runden im Hof drehen, aber mit niemandem reden. Was für uns heute unvorstellbar scheint, wurde für einige DDR-Bürger schreckliche Realität. Um in diese Lage zu geraten, genügte oftmals ein einfacher Hinweis, und man fand sich plötzlich in den Fängen der Stasi wieder.
Vor den Faschingsferien erfuhren die Schülerinnen und Schüler der 11. Jahrgangsstufe des Chiemgau-Gymnasiums in einem Vortrag von Dr. Helmut Müller-Enbergs mehr über das Ministerium der Staatssicherheit in der DDR und dessen Spitzelsystem. Dr. Müller-Enbergs arbeitete nach seinem Studium der Politikwissenschaften zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Beauftragten für Stasiunterlagen (kurz BStU) und war später bis zum Jahr 2021 Leiter der Spionageabwehr beim Verfassungsschutz Berlin.
Einer der Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Tätigkeit waren die Arbeitsweisen der Inoffiziellen Mitarbeiter, umgangssprachlich auch oft „IMs“ oder „Spitzel“ genannt. Die SED-Führung wollte zu jeder Zeit über die aktuelle Situation in der DDR unterrichtet sein und brauchte dafür Unmengen an Daten und Informationen, welche die „IMs“ zu liefern hatten.
Rund 189.000 „normale“ Bürger der DDR waren in dieser Form für die Stasi tätig. Sie spionierten ihre Nachbarn, Freunde, Kollegen oder in seltenen Fällen sogar ihre Ehepartner aus und leiteten die gesammelten Informationen an die Stasi weiter. All diese Daten türmten sich zu riesigen Aktenbergen auf. Viele Unterlagen wurden allerdings kurz nach dem Mauerfall von der Stasi noch selbst vernichtet. Aneinandergereiht würden die restlichen Akten heute aber immer noch eine Länge von 111 km ergeben.
Die Stasispitzel waren meist keine ausgebildeten Spione, sondern einfache Bürger der DDR und hauptsächlich Männer. Allerdings gab es auch Kinder, die von der Stasi angeheuert wurden, um andere zu beschatten. Die jüngsten bekannten IMs sind zwei 11-Jährige und ein 12-Jähriger. So erzählte Müller-Enbergs die Geschichte eines Jungen, der von dem Hausmeister seiner Schule dabei erwischt wurde, als er das Klassenbuch stehlen wollte, um doch noch in die nächste Klasse versetzt zu werden. Doch anstatt den Jungen zur Rechenschaft zu ziehen, leitete der Hausmeister ihn an seinen Vorgesetzten bei der Stasi weiter. Der Junge wurde bei dieser Gelegenheit von der Stasi beauftragt, seine Lehrerin zu beobachten. Allerdings erschien der Junge weder zu vereinbarten Treffen noch reichte er Berichte ein, weswegen er irgendwann von den Stasi-Mitarbeitern zur Rede gestellt wurde. Seine Antwort darauf, warum er keine Informationen an sie weitergab, war der lapidare Satz: „Man petzt nicht!“ Diese Ansicht teilten aber nur wenige Menschen, die als IM von der Stasi beauftragt wurden, denn ihnen wurde das Gefühl gegeben, sie würden das Richtige tun.
Zum
Ende des Vortrags nahm sich Dr. Müller-Enbergs noch Zeit, die Fragen der
Schülerinnen und Schüler zu beantworten. An den vielen Fragen konnte man auch
erkennen, wie sehr der Vortrag zum Spitzelsystem der Stasi die Schülerinnen und
Schüler beschäftigte und das Interesse an der deutsch-deutschen Geschichte
weckte. Anhand seiner lebensnahen Schilderungen machte Dr. Müller-Enbergs den
Schülerinnen und Schülern der Q11 nochmals bewusst, wie sehr Freiheit,
Selbstbestimmung und Privatsphäre wertgeschätzt und auch weiterhin verteidigt
werden sollten.
Text: Maria Helmreich und Josefine Kosatschek, Q11